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Diskussionsentwurf des BMF des AEAO zu § 153 AO

von Torsten Hildebrandt

Das Bundesministerium der Finanzen stellt den Entwurf eines Anwendungserlasses zu § 153 der Abgabenordnung (AO) zur Diskussion. Die Norm des § 153 AO betrifft insbesondere die Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger nachträglich erkennt, dass er eine unrichtige oder unvollständige Steuererklärung abgegeben hat und es dadurch zu einer Steuerverkürzung kommen kann oder bereits gekommen ist. Die Nähe der Norm zum Steuerstrafrecht ergibt sich bereits daraus, dass mit der unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung und der Steuerverkürzung bereits mehrere Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung nach § 370 AO genannt werden.

Der Anwendungserlass zur AO (AEAO) soll eine einheitliche Anwendung der AO durch die Finanzverwaltung sicherstellen. Der nun vorgelegte Entwurf ist von diesem Ziel noch weit entfernt. Insbesondere zur entscheidenden Frage, welche Vorstellung der Steuerpflichtige von seiner fehlerhaften Erklärung hatte und worauf diese Vorstellung beruhte (Gleichgültigkeit, Leichtfertigkeit, nachvollziehbares Versehen), sind die Ausführungen des BMF, vorsichtig formuliert, als wirr zu bezeichnen.

Der Deutsche Anwaltverein hat zu dem Entwurf des BMF eine Stellungnahme veröffentlich, welche nachfolgend ergänzt werden soll.

Der DAV führt in seiner Stellungnahme (Ziff. 1) zu Textziffer 2.1 des Diskussionsentwurfs des BMF aus:

„Ferner lässt der Satz ‚Erkennt der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der von ihm abgegebenen Erklärung und kommt seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO unverzüglich nach, liegt weder eine Steuerhinterziehung noch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, da es sowohl am Vorsatz als auch an der Leichtfertigkeit fehlt.’ einen logischen Bruch erkennen. Das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung hat nichts mit dem Umstand zu tun, dass der Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 1 AO nachgekommen worden sein könnte. Vielmehr ist insofern auf die ursprüngliche Abgabe der Steuererklärung und eine eventuell damit im Zusammenhang stehende Steuerverkürzung abzustellen.“

DAV wie BMF drücken sich hier etwas undifferenziert aus. Erkennt der Steuerpflichtige tatsächlich erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit seiner ursprünglichen Erklärung und hat er die Fehlerhaftigkeit auch nicht für möglich gehalten, scheidet tatsächlich eine vorsätzliche Steuerhinterziehung hinsichtlich der ursprünglichen Erklärung aus. Wer entgegen § 153 AO die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt, begeht allerdings eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen. Kommt aber der Steuerpflichtige nun seiner Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 AO nach, liegt auch keine Steuerhinterziehung durch Unterlassen vor. Insoweit ist die Aussage des BMF richtig.

Eine (bedingt) vorsätzliche Steuerhinterziehung liegt jedoch vor, wenn der Steuerpflichtige zwar die Unrichtigkeit seiner Angaben bei Abgabe der ursprünglichen Steuererklärung nicht gekannt, aber billigend in Kauf genommen hat. Auch in diesem Fall ist er jedoch nach § 153 AO zur Anzeige und Berichtigung verpflichtet (BGH, Beschl. v. 17.03.2009 – 1 StR 479/08). Insoweit ist die Aussage des BMF falsch.

Ebenfalls unrichtig ist die Aussage des BMF, dass im Falle des nachträglichen Erkennens der Unrichtigkeit eine leichtfertige Steuerverkürzung ausscheide. Die leichtfertige Steuerverkürzung zeichnet sich in der Regel gerade dadurch aus, dass der Täter bei Abgabe der Erklärung deren Unrichtigkeit (leichtfertig) nicht erkannt hat.

Schwer nachvollziehbar sind auch weitere Aussagen des BMF. So heißt es im Diskussionsentwurf weiter (Ziff. 2.1): „Nachträgliches Erkennen bedeutet, dass der Steuerpflichtige bei Abgabe der Erklärung die Unrichtigkeit zunächst nicht erkannt hat. D. h. der Steuerpflichtige hat im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung weder die Tatbestandsverwirklichung einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung für möglich gehalten noch deren Eintritt billigend in Kauf genommen.“ (Wie oben ausgeführt ist es nach der Rechtsprechung des BGH allerdings sehr wohl möglich, die Fehlerhaftigkeit erst nachträglich zu erkennen und trotzdem bedingt vorsätzlich Steuern hinterzogen zu haben.) Weiter unten im Entwurf heißt es dann aber (Ziff. 2.7): „Wurde eine leichtfertig unrichtige oder unvollständige Erklärung abgegeben, ist ein nachträgliches Erkennen dieses Fehlers möglich.“

Wie das BMF an zweiter Stelle richtig ausführt, kann der Steuerpflichtige selbstverständlich leichtfertig verkannt haben, dass seine Erklärung falsch war und in diesem Fall eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen haben.

Dies widerspricht jedoch der ersten Behauptung, dass bei einem nachträglichen Erkennen der Unrichtigkeit der Steuerpflichtige „im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung weder die Tatbestandsverwirklichung [...] einer leichtfertigen Steuerverkürzung für möglich gehalten noch deren Eintritt billigend in Kauf genommen“ habe.

An dieser Stelle vermengt das BMF zudem Vorsatz und Leichtfertigkeit. Der für eine Steuerhinterziehung ausreichende bedingte Vorsatz wird gemeinhin dahingehend definiert, dass der Täter den Eintritt des Taterfolges für möglich gehalten und dies billigend in Kauf genommen habe. Eine leichtfertige Steuerverkürzung liegt vor, wenn der Täter leichtfertig (und also ohne Vorsatz) eine Tathandlung der Steuerhinterziehung (insbesondere Abgabe einer falschen Erklärung) begeht und dadurch eine Steuerverkürzung herbeiführt.

Der problematische Satz ließe sich also wie folgt übersetzen: „Wer nachträglich die Unrichtigkeit einer Erklärung erkennt, kann nicht vorsätzlich eine leichtfertige Steuerverkürzung begangen haben.“ Vorsatz und Leichtfertigkeit schließen sich jedoch begrifflich gegenseitig aus. Der Satz ergibt also schlicht keinen Sinn.

Dem DAV ist darin beizupflichten, dass in den Ausführungen des BMF (nicht nur) ein logischer Bruch zu erkennen ist. Es drängt sich der Eindruck auf, dass beim Erstellen des Diskussionsentwurfs „das Pferd von hinten aufgezäumt“ wurde, und zwar aus Richtung der Anzeige und Berichtigung gemäß § 153 AO. Für die Frage, ob durch die ursprüngliche fehlerhafte Erklärung eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung begangen wurde, ist das Ob und Wie der Anzeige und Berichtigung nach § 153 AO völlig irrelevant. Hier ist mit den Worten des DAV ausschließlich „auf die ursprüngliche Abgabe der Steuererklärung und eine eventuell damit im Zusammenhang stehende Steuerverkürzung abzustellen.“ Allein hiernach ist auch die Frage zu entscheiden, ob nur eine Anzeige und Berichtigung des Fehlers nach § 153 AO erfolgen muß oder ob für eine strafbefreiende bzw. bußgeldbefreiende Wirkung der Nacherklärung der Maßstab des § 371 AO bzw. § 378 Abs. 3 AO anzulegen ist.

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