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Ermittlung von Außenwirtschaftsverstößen

von Torsten Hildebrandt

Nutzung ausländischer Datenbanken durch die Zollfahndung zur Ermittlung von Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz wegen Sanktionsverstößen

Bis dato wurden 13 Sanktionspakete beschlossen (ein 14. ist in Vorbereitung), was zu einer steigenden Anzahl an gelisteten Produkten und weitergehender Unsicherheit darüber führt, welche Ein- und Ausfuhren noch legal sind oder schon strafbares Unrecht sind. Aktuell werden die Fälle aus den ersten Sanktionsjahren vor Gericht verhandelt, wobei es bisher nur wenige Urteile zu Verstößen gegen das Russland-Embargo gibt. Dennoch steigt die Zahl der Ermittlungsverfahren rapide an, und Überlegungen zur Neuausrichtung der Zollfahndung werden angestellt. Besonders brisant ist die Nutzung ausländischer Quellen für Ermittlungen, die – wie so oft, wenn der „Ertrag“ stimmt – kaum hinterfragt wird.

Fast wöchentlich gibt die Zollfahndung Pressemitteilungen heraus, die sich mit dem Umgehen von Sanktionen beschäftigen, oft verbunden mit spektakulären Festnahmen und großem Ausmaß der Fälle. Zusätzlich bringt Investigativjournalisten immer mehr Fälle von Umgehungen ans Licht, was zu weiteren Untersuchungen durch die Behörden führt.

Ein auffälliges Beispiel sind Luxusautos. Diese Fahrzeuge werden normalerweise bei deutschen Händlern gekauft, dann wird vorgetäuscht, dass sie nach Weißrussland exportiert werden. Die Autos werden entweder auf Bestellung beschafft oder kurz nach ihrer Ankunft in Russland auf bekannten Online-Portalen und in Telegram-Chats zum Verkauf angeboten. Die in den Anzeigen veröffentlichten Bilder zeigen oft noch die deutschen Exportkennzeichen oder andere erkennbare Merkmale, die es den Ermittlungsbehörden ermöglichen, die Fahrzeuge einem Kauf zuzuordnen.

Die von den Sanktionslisten erfassten Waren gehen jedoch weit über Fahrzeuge hinaus. Die Sanktionierung und damit einhergehend die Strafbarkeit erscheint fast uferlos. Für Unternehmen, selbst mit langjähriger Erfahrung im Exportkontrollrecht, ist dies eine neue Erfahrung: Nicht die Sensibilität der Ware, sondern das Zielland ist ausschlaggebend. Eine ähnliche Situation bestand bereits mit Nordkorea, allerdings ist der Außenhandel mit Nordkorea vergleichsweise gering. Im Falle des Iran steht wieder die Art der Ware im Hinblick auf ihre Verwendung im Vordergrund.

Der Zollfahndungsdienst nutzt verschiedene Wege für seine Ermittlungen, unter anderem Geldwäscheverdachtsmeldungen von Banken wegen auffälliger Transaktionen, Auswertungen von Zollprüfungen und Exportanmeldungen sowie Hinweise nach Art. 6b VO (EU) Nr. 833/2014 oder nach § 10 des Sanktionsdurchsetzungsgesetzes (SanktDG).

Eine wertvolle Quelle sind ausländische Datenbanken, die detailliert über russische Importe informieren. Diese Daten enthalten neben der Zolltarifnummer auch Informationen zum Herkunfts- und Lieferland sowie Details zum Gewicht und statistischen Warenwert. Auch Informationen zu Exporteuren und Importeuren sind öffentlich zugänglich.

Diese Datenbanken bieten Tools zur Aufbereitung von Daten. Schon in der Testversion kann man nach HS-Codes mit Ursprungsland Deutschland suchen und wird fündig.

Die Untersuchung des Warenkodes 8483 („Maschinenwellen, einschließlich Nockenwellen und Kurbelwellen, sowie Kurbeln; Lagergehäuse mit integrierten Wälzlagern, Gleitlagern, Lagergehäusen und Lagerschalen für Maschinen; Kugel- oder Rollenschrauben, Getriebe und andere Geschwindigkeitswandler, einschließlich Drehmomentwandler; Schwungräder, Riemenscheiben und Seilscheiben, einschließlich Seilrollenblöcke für Flaschenzüge; Schaltkupplungen und andere Wellenkupplungen, für Maschinen, einschließlich Universalkupplungen; Teile davon“) ergibt bereits etwa 700 Lieferungen aus, obwohl diese Warennummer in der VO (EU) Nr.  833/2014 aufgeführt ist. Es wäre sogar möglich, die Daten auf spezifische Orte zu spezifizieren.

Deutsche Firmen haben wiederholt beklagt, dass sie von ausländischen Konkurrenten wegen spezifischer Lieferungen (ohne Sanktionsbezug) kontaktiert werden, um bessere Angebote zu unterbreiten. Die Schwachstelle ist dabei nicht, wie einige annehmen, der europäische Zoll, sondern vielmehr die freizügig verfügbaren Importdaten (nicht nur in Russland).

Daten aus teilweise öffentlichen Quellen haben schon immer dazu gedient, einen Anfangsverdacht zu begründen, welcher die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens nach sich zieht. In der aktuellen Situation stützen auch die Staatsanwaltschaften ihre strafrechtlichen Maßnahmen auf diese zugänglichen Importdaten, allerdings ohne deren Zuverlässigkeit zu überprüfen. Häufig kann den so ermittelten (vermeintlichen) Einfuhren in Russland keine entsprechende Ausfuhr aus Deutschland gegenübergestellt werden. Zweifellos führen die Zollbehörden eine gründlichere Untersuchung der ATLAS-Ausfuhrdaten durch. Dies führt dazu, dass legitime Lieferungen in bekannte Umgehungsländer schnell Ermittlungsmaßnahmen nach sich ziehen können, wenn sie – auf durchaus zweifelhafter Grundlage – als Umgehungslieferungen eingestuft werden. Sobald die Ermittlungsbehörden von einer Umgehungslieferung ausgehen, stellt sich die Frage der Kenntnis der Sanktionierung und der damit einhergehenden Strafbarkeit nach § 18 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) und damit des strafrechtlichen Vorsatzes und Fehlen eines (ohnehin kaum unvermeidbaren) Verbotsirrtums nicht mehr.

Die bisherige Praxis wird bisher von den Gerichten – soweit ersichtlich – nicht ernsthaft in Frage gestellt. Allerdings werden derzeit erst die Vorgänge aus dem Jahr 2022 und früher gerichtlich aufgearbeitet, die strafrechtliche Behandlung späterer Vorgänge befindet sich überwiegend noch im Stadium des Ermittlungs- oder Zwischenverfahrens. Es ist absehbar, dass die Gericht immer mehr Gelegenheiten haben werden, sie zu den Methoden der Zollfahndung und Staatsanwaltschaft zu äußern, denn die Zahl der Ermittlungsverfahren ist von ca. 150 im Jahr 2021 über ca. 950 im Jahr 2022 auf ca. 1.500 im Jahre 2023 gestiegen.

Aufgrund der erheblichen Zunahme der Fallzahlen und der Bedeutung des Außenwirtschaftsstrafrecht beabsichtigt die Zollfahndung die Einrichtung eines eigenen Fachgebiets zur Verfolgung von Außenwirtschaftsverstößen.

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