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Selbstanzeige ohne Abstimmung mit dem Mandanten - BGH, Urteil vom 09.11.2017 – IX ZR 270/16

von Torsten Hildebrandt

Es gibt nichts, was es nicht gibt. So könnte die Überschrift für jenen Fall lauten, in dem der BGH sich nun äußerte. Die Kläger verlangten Schadensersatz von ihrem Anwalt, der sie in steuerlichen Fragen beraten hatte. Die Klägerin hatte 68.077,01 € Schenkungsteuer nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) hinterzogen. Zwischen ihr und dem beklagten Rechtsanwalt war eine Vereinbarung getroffen worden, dass dieser eine Selbstanzeige abgeben, soweit die Klägerin diese freigibt. In der Kanzlei des Rechtsanwalts kam es zu einem Versehen, sodass die Selbstanzeige dem zuständigen Finanzamt zugeleitet wurde. Daraufhin wurde das Steuerstrafverfahren eingestellt und die Klägerin zahlte die hinterzogenen Steuerbeträge nach. Diesen Betrag verlangte sie vom beratenden Rechtsanwalt als Schadensersatz.

Dabei kam es vor allem auf die Frage an, ob man die nachgezahlten Steuern als Schaden im Sinne des § 249 Absatz I StGB ansehen kann. Zwischen der Klägerin und dem beklagten Rechtsanwalt bestand ein Dienstvertrag, § 611 Absatz I, § 675 Absatz I BGB. Die weisungswidrige Abgabe der Selbstanzeige stellt zwar einen Verstoß gegen die Vertragspflichten und somit eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Absatz I Satz 1 BGB dar. Diese ist war auch schuldhaft, da er in seinem Büro durch geeignete Vorkehrungen sicherzustellen habe, dass der Schriftsatz nicht ohne vorherige Freigabe seitens der Klägerin in den Postausgang gelange. Für eine Büroorganisation, die verhindert, dass Schriftsätze durch das Büropersonal eigenmächtig versandt werden, müsse der Rechtsanwalt Sorge tragen. Gegen diesen Sorgfaltsgrundsatz wurde aber verstoßen. Der IX. Senat stellte darüber hinaus klar, dass keine ausnahmsweise Rechtfertigung aufgrund einer Gefährdungslage für seine Mandantin vorgelegen habe. Bis auf den Schaden waren demnach alle Haftungsvoraussetzungen relativ problemlos gegeben. Der Schaden nach § 249 StGB wird mittels der sogenannten Differenzhypothese bestimmt. Dafür wird die Sachlage mit und ohne das schädigende Ereignis betrachtet. Die Differenz der Beträge lässt dann den Schaden erkennen. Nun ließe sich argumentieren, dass das zuständige Finanzamt ohne die Selbstanzeige des Rechtsanwalts keine Kenntnis der offenen Steuerschulden erhalten hätte und somit kein Schaden anzunehmen sei. Dem stellte sich der BGH unter Vornahme einer normativen Korrektur entgegen. Denn die Steuerschuld bestand unabhängig von der Selbstanzeige des Rechtsanwalts, diese deckte sie nur auf. Auch ein entgangener Steuervorteil könne grundsätzlich nur als Schaden im Rechtssinne geltend gemacht werden, wenn er rechtmäßig und nicht unter Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten hätte erlangt werden könne. Dem war im vorliegenden Fall aber gerade nicht so.

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