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Zur Aussetzung des Steuerstrafverfahrens

von Torsten Hildebrandt

Das Landgericht Halle hat sich im Rahmen einer Beschwerdeentscheidung über einen Beschluss über die Aussetzung des Steuerstrafverfahrens gemäß § 396 der Abgabenordnung zur Möglichkeit der Anfechtbarkeit eines solchen Beschlusses sowie zu den Voraussetzungen der Aussetzung geäußert.

Die Staatsanwaltschaft Halle hatte am 6. März 2014 Beschwerde gegen den Aussetzungsbeschlusses des Amtsgerichts – Schöffengericht - vom 4. März 2014 eingelegt. Den Beschluss des Amtsgerichts hob das Landgericht nun mit der Begründung auf, der ursprüngliche Aussetzungsbeschluss hätte aufgrund der Tatsache, dass er sowohl mit dem Rechtsmittel gegen das spätere Urteil als auch mit der Beschwerde angefochten werden konnte, seinerseits begründet werden müssen. Die Begründungspflicht folgt aus § 34 Alt. 1 der Strafprozeßordnung. An einer Begründung des Beschlusses mangelte es aber, weshalb dem Landgericht der ursprüngliche Aussetzungsbeschluss „geradezu willkürlich [erschien]“.

Damit trat das Landgericht den Ausführungen des Amtsgerichts zum Nichtabhilfebeschluss entgegen, wonach nach der Anhörung der divergierenden Auffassungen von Verteidigung und Staatsanwaltschaft eine Beratung des Gerichts stattgefunden habe. Eine „Vorberatung“ schied schon deswegen aus, da nicht ersichtlich sei, dass der Antrag bereits vor der Hauptverhandlung übergeben worden war. Laut Protokoll der Hauptverhandlung (welche insgesamt 8 Minuten dauerte) hat der Verteidiger erst in der laufenden Verhandlung den Aussetzungsantrag übergeben, welcher dann als Anlage zum Protokoll genommen wurde. Eine Unterbrechung der Hauptverhandlung nach Übergabe des Antrags zwecks Beratung ist im Protokoll nicht vermerkt worden.

Nach § 396 der Abgabenordnung kann das Strafverfahren ausgesetzt werden bis das Besteuerungsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist, wenn die Beurteilung der Tat als Steuerhinterziehung davon abhängt, ob ein Steueranspruch besteht, ob Steuern verkürzt oder ob nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt sind. Eine solche Vorfrage, die es zu klären gilt, muss dem Steuerrecht zuzuordnen sein. Auf dieses ungeschriebene Tatbestandsmerkmal von § 396 Absatz 1 AO beruft sich das Landgericht in seinem Beschluss. Nach der vom Landgericht vertretenen Auffassung müssen über das Erlangen ungerechtfertigter Steuervorteile, das Vorhandensein eines Steueranspruchs bzw. den Eintritt eines Verkürzungserfolgs Zweifel dergestalt bestehen, dass zwei oder mehr Finanzbehörden divergierende Meinungen bei der Auslegung einer Norm aus dem Steuerrecht haben, die Finanzverwaltung ihre Auffassung geändert hat, mehrere Finanzgerichte dieselbe steuerrechtliche Frage unterschiedlich beurteilt haben oder der Bundesfinanzhof in einer bereits ergangenen Entscheidung zu derselben Rechtsfrage das Bestehen eines Steueranspruchs verneint hat, die Strafverfolgungsorgane oder die Finanzbehörden aber zu einer gegenteiligen Auffassung gelangt sind.

Anlass der Aussetzung durch das Amtsgerichts war im vorliegenden Fall, dass im parallel ablaufenden Besteuerungsverfahren das zuständige Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt die Aussetzung der Vollziehung der geänderten Steuerbescheide gewährt hatte, da aus seiner Sicht bei summarischer Betrachtung eine Steuerhinterziehung „nicht begründbar“ sei. Hieraus folgt für das Landgericht keine zweifelhafte Steuerrechtslage. Dem ist vorliegend zuzustimmen, denn maßgeblich für die Entscheidung des Finanzgerichts waren Zweifel tatsächlicher Art, konkret dazu, ob der Antragsteller/Angeklagte als angebliche Verkaufsprovisionen gebuchtes Bargeld der GmbH, deren alleiniger Gesellschafter Geschäftsführer er war, für sich selbst vereinnahmt hatte. (Dafür sprach, dass bei der Durchsuchung im Haus des Antragstellers/Angeklagten eine mit Paketklebeband verschlossene Plastiktüte aufgefunden worden war, in der sich aufgeteilt auf 30 Briefumschläge 171.630 Euro befanden. Zwischen den Buchungen auf das Buchhaltungskonto 4760 „Verkaufsprovisionen“ und dem Inhalt der Briefumschläge bestanden Übereinstimmungen.) Steuerrechtlich ist dieser Sachverhalt (so oder so) leicht zu würdigen: Entweder liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes vor oder eben nicht. Hierzu führt das Landgericht aus, dass das Amtsgericht eine solche Anwendung des Steuerrechts leisten könne und auch müsse.

Möglicherweise war das Amtsgericht durch die Ausführungen des Finanzgerichts verunsichert. Dieses hatte im Rahmen des Verfahrens über die Aussetzung der Vollziehung der Steuerbescheide moniert, dass das Finanzamt versäumt hatte, eine Geldverkehrs- und Vermögenszuwachsrechnung anzustellen, um plausibel zu machen, dass das Geld des Antragstellers in der Plastiktüte aus verdeckten Gewinnausschüttungen der GmbH stammte. Ohne entsprechende Spezialisierung sind dem gemeinen Strafrichter solche Ansätze fremd.

Aus Sicht der Verteidigung ist die Entscheidung des Landgerichts eher unglücklich: Durch die Aussetzung des Steuerstrafverfahrens hätte zunächst der rechtskräftige Abschluss des Besteuerungsverfahrens abgewartet werden müssen. Finanzgerichtliche Verfahren pflegen jahrelang zu dauern und ein langer Zeitraum zwischen Tat und strafrechtlicher Verurteilung wäre sicherlich strafmildernd berücksichtigt worden.

Ob die Aussetzung der Vollziehung im vorliegenden Fall erstrebenswert war, wird sich erst noch zeigen, da die letztlich geschuldeten Steuern auch für den Zeitraum der Aussetzung der Vollziehung mit 0,5 Prozent pro Monat zu verzinsen sind. Abhängig von der Liquidität des Steuerpflichtigen kann es angesichts des derzeitigen allgemeinen Zinsniveaus ratsam sein, auf einen „AdV“-Antrag zu verzichten.

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