Dienstvorschriften der Bundesfinanzverwaltung zur Einstellung nach dem Opportunitätsprinzip nach den §§ 153, 153a StPO, 398 AO

In der letzten Fassung der Dienstvorschrift für Strafsachen- und Bußgeldverfahren (Aufgabenwahrnehmung und Organisation) - StraBuDV -, die nicht als Verschlusssache eingestuft wurde, waren noch konkrete betragsmäßige Vorgaben für die Einstellung des Strafverfahrens nach dem Opportunitätsprinzip enthalten. Spätestens in der Fassung vom 25.06.2018 waren diese Betragsgrenzen nicht mehr enthalten. Die Vorgaben wirken jedoch in den Straf- und Bußgeldsachenstellen der Hauptzollämter fort und wurden nach Auskunft von Zollbeamten teilweise durch hausinterne Vorgaben ersetzt, die sich als (inflationsbereinigende) Fortschreibung der Beträge des BMF ansehen lassen.

In Nr. 143 StraBuDV in der Fassung vom 19.07.2011 war festgelegt:

„(1) Nach § 153a StPO kann die StraBu die Einstellung des Verfahrens von der Erfüllung bestimmter Auflagen und Weisungen durch den Beschuldigten abhängig machen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die Auflagen und Weisungen geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen (vgl. Nr. 142) und die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht. Für die Beurteilung der Schwere der Schuld sind die für die Strafzumessung geltenden Grundsätze, insbesondere § 46 StGB, heranzuziehen. Im Regelfall kann die Einstellung nach § 153a StPO bei einer Steuerverkürzung bis zu einem Verkürzungsbetrag von 1.500 EUR in Betracht gezogen werden. Zur Ermittlung des Verkürzungsbetrags vgl. Nr. 142 Abs. 7.

[...]

(3) Die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO ist nur mit Zustimmung des Beschuldigten zulässig und bedarf grundsätzlich der Zustimmung des Gerichts. Nach § 153a Abs. 1 S. 7 i.V.m. § 153 Abs. 1 S. 2 StPO ist die Zustimmung des Gerichts nicht erforderlich bei einem Vergehen, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist, wenn die durch die Tat verursachten Folgen gering sind. Zur Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der geringen Tatfolge (§ 153 Abs. 1 S. 2 StPO) ist bei einer Steuerstraftat insbesondere von der Summe der verkürzten Steuern auszugehen. Im Regelfall können Steuerverkürzungen bis zu einem Verkürzungsbetrag von 750 EUR als geringe Folge im Sinne des § 153 Abs. 1 S. 2 StPO angesehen werden. [...]“

Der Verweis auf § 153 Abs. 1 S. 2 StPO bezieht sich zwar nur auf die Frage, ob die Einholung der Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts erforderlich ist. Dennoch könnte man versucht sein daraus zu schließen, dass ein Verkürzungsbetrag von 750 Euro als eine geringe Folge der Tat auch eine geringe Schuld des Täters im Sinne des § 153 Abs. 1 S. 1 StPO bedeute.

So will das BMF aber ersichtlich nicht verstanden werden. Denn in Nr. 142 Abs. 5 in der Fassung vom 19.07.2011 regelt es:

„Eine Einstellung nach § 398 AO kommt im Regelfall bis zu einem Steuerverkürzungsbetrag (Absatz 7) von 130,- EUR (geringwertiger Steuerschaden) in Betracht.“

Ausweislich der Überschrift von Nr. 142 StraBuDV („Einstellung nach § 398 AO oder § 153 Abs. 1 StPO“) unterscheidet das BMF insofern nicht zwischen den Voraussetzungen des § 398 AO bzw. § 153 StPO. Danach ist aus Sicht des BMF ein Verkürzungsbetrag von 750 Euro zwar eine geringe Folge der Tat, aber kein geringwertiger Steuerschaden mehr.

In der mir aufgrund des Urteils des VG Berlin vom 29. April 2021 (2 K 262/19) u.a. zur Verfügung gestellten Fassung der StraBuDV vom 25.06.2018 (VS NfD) ist der ursprünglich in Nr. 143 StraBuDV enthaltene Satz

„Im Regelfall kann die Einstellung nach § 153a StPO bei einer Steuerverkürzung bis zu einem Verkürzungsbetrag von 1.500 EUR in Betracht gezogen werden. Zur Ermittlung des Verkürzungsbetrags vgl. Nr. 142 Abs. 7.“

ersatzlos gestrichen worden. Auch der Satz in StraBuDV Nr. 142 enthaltene Satz

„Eine Einstellung nach § 398 AO kommt im Regelfall bis zu einem Steuerverkürzungsbetrag (Absatz 7) von 130,- EUR (geringwertiger Steuerschaden) in Betracht.“

ist nicht mehr enthalten.

Mit Schreiben vom 08.08.2022 richtete ich folgende Fragen an das BMF:

„Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Berlin zum Az. 2 K 262.19 wurde mir bekannt, dass StraBuDV Nr. 143 in der Fassung vom 25.06.2018 einen Satz nicht mehr enthält, der in der (noch nicht als Verschlusssache eingestuften) Fassung vom 19.07.2011 noch enthalten war. Dort hieß es in Nr. 143 Abs. 1 S. 4:

‚Im Regelfall kann die Einstellung nach § 153a StPO bei einer Steuerverkürzung bis zu einem Verkürzungsbetrag von 1.500 EUR in Betracht gezogen werden.‘

Dieser Satz wurde – soweit ersichtlich – spätestens 2018 ersatzlos gestrichen.

Ich interpretiere dies dahingehend, dass den Straf- und Bußgeldsachenstellen durch die Streichung der Regelobergrenze des Verkürzungsbetrages hinsichtlich der Einstellung nach § 153a StPO ein größerer Anwendungsbereich eröffnet werden sollte, eine Einstellung also ausdrücklich auch bei höheren Verkürzungsbeträgen als 1.500 Euro möglich sein soll. Ist diese Interpretation zutreffend?

Ist weiter der gänzliche Verzicht auf die Nennung einer Regelobergrenze dahingehend zu interpretieren, dass eine Einstellung nach § 153a StPO – die entsprechenden übrigen mildernden Umstände vorausgesetzt – auch bei u.U. deutlich über 1.500 Euro liegenden Beträgen möglich sein soll?

Stellt der Verkürzungsbetrag von 3.600 Euro hier einen Orientierungspunkt dar, etwa weil sich hier nach StraBuDV Abs. 147.3 eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen ergibt (also die Grenze nach § 32 Abs. 2 Nr. 5 Buchst. a BZRG für eine Eintragung in das Führungszeugnis und damit für eine Vorstrafe)?“

Hierauf antwortete die Generalzolldirektion (GZD) mit Schreiben vom 26.08.2022:

„[D]as Bundesministerium der Finanzen hat mich gebeten, Ihr Auskunftsersuchen zu beantworten.

Zu dem von Ihnen angemerkten Wegfall der Wertschwelle von 1.500 EUR möchte ich Ihnen mitteilen, dass sich eine starre Wertgrenze in der Vergangenheit als nicht praktikabel erwiesen hat und die in der aktuellen StraBuDV (Nummer 143 Absatz 1) aufgeführten Kriterien für die Anwendung des § 153a StPO im Steuerstrafverfahren der StraBus als ausreichend erachtet werden.“

Die Kriterien der Nr. 143 Abs. 1 StraBuDV sind allerdings recht allgemein gehalten. Die Straf- und Bußgeldsachenstellen der Hauptzollämter behelfen sich daher, wie eingangs erwähnt, teilweise mit eigenen Vorgaben zu betragsmäßigen Grenzen für die §§ 153, 153a StPO, 398 AO.

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Zoll- und Steuerstrafrecht finden Sie auf der Website des Verteidigers in Zoll- und Steuerstrafsachen Rechtsanwalt Torsten Hildebrandt, Berlin/Hamburg.

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