"Bei dem, welcher als Täter oder Teilnehmer einer Straftat [...] verdächtig ist, kann eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume sowie seiner Person und der ihm gehörenden Sachen [...] dann vorgenommen werden, wenn zu vermuten ist, daß die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde."
§ 102 StPO
Zulässigkeit der Durchsuchung beim Verdächtigen durch die Steuerfahndung (Hausdurchsuchung)
Durchsuchung und Beschlagnahme sind die wichtigsten und häufigsten strafprozessualen Maßnahmen und oft die Situation, in der die Betroffenen erstmals mit dem gegen ihn geführten Steuerstrafverfahren durch die Steuerfahndung konfrontiert wird. Die förmliche Mitteilung von der Einleitung des Steuerstrafverfahrens ist demgegenüber in Verfahren, die nicht nur von Straf- und Bußgeldsachenstelle geführt werden, eher die Ausnahme.
Die Zulässigkeit der Durchsuchung beim Verdächtigen regelt § 102 der Strafprozeßordnung (StPO). Danach reicht für die Anordnung der Durchsuchung ein Anfangsverdacht der Steuerfahndung, d.h. das Vorliegen zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte, aus denen nach der kriminalistischen Erfahrung auf eine Steuerstraftat geschlossen werden kann, aus. Die Durchsuchung erstreckt sich auf die Wohnung des Verdächtigen und andere Räume sowie seine Person und ihm gehörende Sachen. Hierzu gehören insbesondere auch Bankschließfächer des Verdächtigen. Hat der Verdächtige als Vertreter einer juristischen Person gehandelt, sind auch die Räumlichkeiten der juristischen Person umfaßt. Computer des Verdächtigen können durch Inbetriebnahme und Datenträgerreproduktion durchsucht werden.
Daten des Betroffenen, die auf externen Speichermedien (auf einem Server im Intra- oder Internet) gespeichert sind, dürfen gemäß § 110 Abs. 3 StPO durchgesehen werden, um deren Beweiserheblichkeit festzustellen. Liegt sie vor, dürfen die Daten gesichert werden. Da hiervon auch der Inhaber des externen Speichermediums betroffen sein kann, ist nach § 110 Abs. 3 S. 2 die gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 StPO vorgesehen. Hier ist dem Inhaber des externen Speichermediums zuvor gemäß § 33 Abs. 2 und 3 rechtliches Gehör zu gewähren.
Ihr Ansprechpartner bei Durchsuchung und Beschlagnahme im Steuerstrafverfahren
Ich habe bereits viele Mandanten erfolgreich im Steuerstrafverfahren verteidigt.Die Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung durch die Steuerfahndung gehört zu den ersten Maßnahmen. Nehmen Sie unverbindlich Kontakt zu mir auf - telefonisch, per E-Mail oder über mein Kontakformular.
Liegen Ihnen Unterlagen zum Fall vor (z.B. ein Anhörungsbogen, Durchsuchungsbeschluss, Sicherstellungsprotokoll, Abgabenbescheid)? Dann ist eine Übersendung von Scans/Kopien sinnvoll, damit ich ggfls. bereits eine erste Einschätzung vornehmen kann.
Der nächste Schritt der Verteidigung ist in aller Regel die Akteneinsicht. Danach stimmen wir die beste Strategie für Ihren Fall ab.
Verdeckter Zugriff auf E-Mails
Nicht von § 102 erfaßt ist der verdeckte Zugriff auf Emails des Verdächtigen, die sich in seiner Mailbox befinden. Sie unterfallen der Telekommunikationsüberwachung gemäß § 100a StPO. Danach ist die Durchsuchung der Emails nur möglich, wenn sich der Verdacht gegen den Beschuldigten auf eine sogenannte Katalogtat des § 100a Abs. 2 bezieht. Aus der Abgabenordnung sind dies ausschließlich bestimmte Fälle mit einer erhöhten Strafandrohung (vgl. hierzu ➤ Steuerhinterziehung Strafe):
- die Steuerhinterziehung, wenn der Täter als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Steuerhinterziehungen verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt (Umsatzsteuerkarusselle),
- gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel nach § 373 und
- Steuerhehlerei im Falle des § 374 Abs. 2,
Dienstvorschrift der Steuerfahndung und Bußgeld- und Strafsachenstellen
Die Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) - AStBV (St) 2023/2024 sind in allen Straf- und Bußgeldverfahren anzuwenden, in denen die Finanzbehörde ermittelt oder zur Mitwirkung berufen ist. Sie sind von allen Bediensteten der Steuerfahndung (Steufa) und der Bußgeld- und Strafsachenstellen (BuStra) zu beachten, ferner von Bediensteten anderer Stellen der Finanzbehörden, soweit es sich um die Zusammenarbeit mit jenen Stellen handelt oder wenn sie Maßnahmen im Straf- oder Bußgeldverfahren treffen (Nr. 1 AStBV (St) 2023/2024). Zur Durchsicht elektronischer Speichermedien ist darin geregelt (Nr. 69 Abs. 2 und 3):
"(2) Auch elektronische Speichermedien bei dem von der Durchsuchung Betroffenen, z. B. USB-Sticks, Smartphones und Festplatten, unterliegen der Durchsicht (§ 110 StPO auch i. V. m. § 404 AO). Beschlagnahmefähig sind die auf diesen Speichermedien vorhandenen beweisrelevanten Daten. Wenn eine Bewertung vor Ort nicht möglich ist, kann die Hardware zum Zwecke der Durchsicht und Auswertung vorübergehend sichergestellt werden. Die Durchsuchung dauert insoweit an. Die Durchsicht eines elektronischen Speichermediums bei dem von der Durchsuchung Betroffenen darf auch auf hiervon räumlich getrennte Speichermedien erstreckt werden, soweit auf sie von dem Speichermedium aus zurückgegriffen werden kann, wenn andernfalls der Verlust der gesuchten Daten zu befürchten ist. Daten, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können, dürfen gesichert werden (§ 110 Abs. 3 Satz 3 StPO).
(3) Grundlegende Kriterien speziell zur Durchsuchung von elektronischen Speichermedien sind zum Beispiel:
1. Der sogenannten Online-Durchsuchung unterliegen auch vom Beschuldigten genutzte soziale Netzwerke und Online-Marktplätze.
2. Unter Zuhilfenahme forensischer Software darf auf passwortgeschützte Daten zugegriffen werden.
3. Der Abruf der Daten bedarf keines Rechtshilfeersuchens, wenn nach angemessener Ermittlungsanstrengung der physikalische Speicherort nicht feststellbar ist."
Telefonate während der Steuerfahndung-Durchsuchung
Die Frage des Telefonierens während einer Durchsuchung durch die Steuerfahndung führt häufig zu einem Konflikt zwischen dem Bedürfnis des Betroffenen, Kontakt aufzunehmen, und dem Bestreben der Steuerfahnder, solche Kontakte zu unterbinden. Dies kann wichtig sein, um die Weitergabe von Informationen oder Warnungen zu verhindern.
Es ist daher notwendig, einen gerechten Ausgleich zwischen dem Schutzbedürfnis des Betroffenen, insbesondere wenn dieser Beschuldigter ist, und den Ermittlungsinteressen der Steuerfahndung zu finden. Die Herausforderung besteht darin, zulässige und unzulässige Anrufe frühzeitig zu unterscheiden und den Telefonverkehr angemessen zu überwachen.
Eine generelle Telefonsperre, die Telefonate vollständig verbietet, ist unzulässig. Es ist dem Betroffenen, ob Beschuldigter oder unverdächtiger Dritter, nicht zu verwehren, seinen Anwalt zu kontaktieren. Dies ergibt sich direkt aus § 137 Abs. 1 S. 1 StPO und § 148 StPO. Im Rahmen von Steuerstraf- und -bußgeldverfahren gibt die AStBV (St) in Nr. 63 VIII 3 explizit vor, dass Gespräche mit dem Verteidiger oder Steuerberater stets zu gestatten sind. Diese Erlaubnis gilt während der gesamten Durchsuchung und nicht nur zu Beginn oder einmalig.
Um Missbrauch zu verhindern, können die Beamten den Telefonkontakt herstellen und prüfen, ob der gewünschte Gesprächspartner am Telefon ist. Es ist jedoch nicht gestattet, das Gespräch zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger mitzuhören, und es darf nicht verlangt werden, dass der Beschuldigte das Telefon auf Lautsprecher stellt.
Telefonate, die den Erfolg der Durchsuchung gefährden könnten, können gemäß § 164 untersagt werden. Diese Norm, die primär das Festhalten von Störern ermöglicht, erlaubt auch weniger einschneidende Maßnahmen, die aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar notwendig sein können. In Steuerstrafverfahren erlaubt Nr. 63 Abs. 8 S. 2 AStBV (St), Telefongespräche während der Durchsuchung zu verbieten, wenn sie den Durchsuchungszweck gefährden könnten.
Eine Telefonsperre durch die Steuerfahndung ist nur dann rechtmäßig, wenn sie ausgenommen Telefonate des Beschuldigten zu seinem Verteidiger ist und wenn eine konkrete Gefahr für den Durchsuchungserfolg besteht. Es ist beispielsweise möglich, einem Pförtner bei einer Unternehmensdurchsuchung das Telefonieren vorübergehend zu untersagen, um zu verhindern, dass er die Geschäftsleitung über das Eintreffen der Steuerfahnder informiert. Allerdings wird in der Praxis die Notwendigkeit einer solchen Telefonsperre manchmal vorschnell angenommen oder nicht angemessen geprüft, was aus Verhältnismäßigkeitsgründen abzulehnen ist.
Anwesenheit des Strafverteidigers bei der Steuerfahndung-Durchsuchung
Obwohl der Verteidiger grundsätzlich keinen eigenständigen Rechtsanspruch auf Anwesenheit bei einer Durchsuchung hat, bedeutet dies nicht, dass ihm die Teilnahme verwehrt werden kann. Der Beschuldigte besitzt das Hausrecht über die zu durchsuchenden Räume und kann somit seinem Verteidiger die Anwesenheit gestatten. Einschränkungen ergeben sich hier nur aus § 164 StPO, der eine ungestörte Durchführung der Durchsuchung gewährleisten soll. Eine Störung im Sinne dieses Paragraphen liegt jedoch nicht vor, wenn der Verteidiger sachlich die Rechtmäßigkeit des Vorgehens überprüft und die Rechte des Beschuldigten wahrt.
In der Praxis wird die Frage der Verteidigeranwesenheit bei einer Durchsuchung oft gar nicht als diskussionswürdig erachtet, und der Verteidiger kann in der Regel aufgrund des Hausrechts des Inhabers seine Anwesenheit gegenüber der Steuerfahndung durchsetzen. Es kann jedoch vorkommen, dass ein Beamter der Steuerfahndung den Zugang verweigern möchte. In solchen Fällen ist ein Anruf beim zuständigen Staatsanwalt oder Ermittlungsrichter meist hilfreich.
Für die Steuerfahndung besteht keine Verpflichtung, auf den Strafverteidiger zu warten. Wenn jedoch keine dringende Notwendigkeit besteht, sofort zu beginnen, und der Verteidiger sein baldiges Erscheinen ankündigt, sollten die Steuerfahnder das Eintreffen des Verteidigers abwarten, da dies oft das Klima zwischen allen Beteiligten verbessert. Es ist jedoch wichtig, dass jeglicher Anschein eines Versuchs der Verdunklung durch den Betroffenen oder seine Mitarbeiter strikt vermieden wird.
Fotografieren und/oder Filmen während der Durchsuchung durch die Steuerfahndung
Eine explizite gesetzliche Regelung des Fotografierens und Filmens während einer Durchsuchung durch die Steuerfahndung existiert noch nicht. Das Fotografieren von Durchsuchungsobjekten stellt, auch wenn keine Personen abgebildet werden, einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre dar, bedingt durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Fotografische Aufnahmen zur bloßen Dokumentation der Durchführung einer Durchsuchung durch die Steuerfahndung sind unzulässig. Sie können nicht die Beweissicherung ersetzen, die gemäß § 105 Abs. 2 StPO normalerweise durch die Zuziehung von Zeugen erfolgt. Dieser Paragraf sieht ausdrücklich andere Formen der Beweissicherung vor, die nicht das Fotografieren einschließen.
Fotografien während einer Durchsuchung sind nur dann zulässig, wenn sie notwendig sind, um Spuren, den Tatort oder den Fundort von Beweismitteln zu dokumentieren und das Dokumentationsinteresse der Ermittlungsbehörden/der Steuerfahndung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen überwiegt. Fotografische Aufnahmen können ebenfalls gerechtfertigt sein, wenn sie im Vergleich zur Beschlagnahme des abgebildeten Gegenstands das mildere Mittel darstellen, sofern die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme gegeben sind.
Für Filmaufnahmen während der Durchsuchung gelten grundsätzlich dieselben Regeln. Allerdings ist bei Filmaufnahmen durch die Steuerfahndung eine größere Zurückhaltung geboten, da sie aufgrund ihrer höheren Eingriffsintensität und der Möglichkeit, Tonsequenzen aufzuzeichnen, eine stärkere Beeinträchtigung darstellen können. Filmaufnahmen vermitteln den Eindruck eines bewegten Geschehens und können akustische Details erfassen, was die Privatsphäre noch weiter tangiert. Die Aufzeichnung gesprochener Worte erfordert spezielle gesetzliche Ermächtigungen, wie beispielsweise die Kombination von § 163a Abs. 1 S. 2 StPO und § 58a Abs. 1 S. 1 StPO, um rechtmäßig zu sein.
In Zeiten der omnipräsenten Smartphones stellt sich zudem die Frage, ob die Steuerfahnder bei ihrer Arbeit durch die Betroffenen fotografiert und/oder gefilmt werden dürfen, insbesondere um deren Verhalten zu dokumentieren. Für Verteidiger können insbesondere Filme sehr aufschlussreich sein, denn das Verhalten der Steuerfahnder in Anwesenheit des Strafverteidigers weicht ganz erheblich von dem Verhalten ab, dass die Fahnder zeigen, wenn sie sich - jedenfalls durch strafprozessrechtlich ausgebildete Interessenvertreter - unbeobachtet fühlen. Interessant war in meiner Praxis etwa der Fall, bei dem sich bei der Rückgabe sichergestellter Geräte herausstellte, dass ein originalverpacktes Tablet zwar von der Steuerfahndung nachweislich mitgenommen, aber nicht zurückgegeben wurde. Der Verdacht, dass das Tablet von einer Person, die Zugang zum Asservatenraum hatte, unterschlagen wurde, lag nahe. Nach mehreren insistierenden Nachfragen wurde das Tablet bei der Steuerfahndung "wieder aufgefunden". Bei der versehentlich und unbeobachtet gefilmten Rückgabe der anderen sichergestellten Geräte hatten die Steuerfahnder noch nachdrücklich bestritten, das Tablet je mitgenommen zu haben.
Zulässigkeit der Durchsuchung durch die Steuerfahndung bei Dritten (insbesondere Steuerberater)
Die Durchsuchung bei Dritten richtet sich nach § 103 StPO. Die Durchsuchung ist danach nur zulässig, wenn Tatsachen vorliegen, aus denen zu schließen ist, daß sich die Spur einer Straftat oder eine bestimmte Sache in den zu durchsuchenden Räumen befindet. Die Beweisgegenstände müssen in der schriftlichen Durchsungsanordnung konkret bezeichnet sein. Allein die Vermutung, der Steuerberater verfüge über alle steuerlich relevanten Unterlagen seines Mandanten in Kopie oder im Original reicht nicht aus (vgl. Durst, PStR 2012, 146, 148; Rund, AO-StB 2004, 451, 452).
Im Falle einer wegen Gefahr im Verzug mündlich angeordneten Durchsuchung muß der steuerliche Berater darauf bestehen, daß die Ermittlungsbehörde die Gründe für das Vorliegen der Gefahr und die gesuchten Beweismittel genau beschreibt. Hierzu muß zwecks Beweisführung bei Rechtsmitteln mit dem Ziel eines Verwertungsverbotes ein schriftlicher Vermerk gefertigt werden.
Durchsucht werden dürfen trotz des Wortlauts des § 103 StPO ("...in den zu durchsuchenden Räumen...") nach herrschender Meinung auch sonstige Gegenstände im Sinne des § 102 StPO sowie die Person des Dritten, bei dem durchsucht wird (Leibesvisitation).
Durchführung der Steuerfahndung-Durchsuchung
Der von der Durchsuchung Betroffene hat ein Anwesenheitsrecht bei der Maßnahme. Es gilt allerdings § 164 StPO, wonach Personen, welche die Ausführung von Amtshandlungen stören, festgenommen werden dürfen. Handlungen, welche den Durchsuchungszweck gefährden, können unterbunden werden. In jedem Fall muß dem Betroffenen jedoch gestattet werden, seinen Rechtsanwalt oder Steuerberater von der Durchsuchung in Kenntnis zu setzen. Dieser ist auch zur Anwesenheit bei der Maßnahme berechtigt. Die Beamten sollten gebeten werden, mit dem Beginn der Durchsuchung auf das Eintreffen des Beraters zu warten, ein Anspruch hierauf besteht jedoch nicht.
Die Durchsuchung durch die Steuerfahndung ist nur in Ausnahmefällen zur Nachtzeit zulässig. Dies ist allerdings nur von eingeschränktem Wert, denn gemäß § 104 Abs. 3 StPO umfaßt die Nachtzeit in dem Zeitraum vom 01.04. bis 30.09. die Stunden von neun Uhr abends bis vier Uhr morgens und in dem Zeitraum vom 01.10. bis 31.05. die Stunden von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens. Die Steuerfahnder erscheinen jedoch gerne regelmäßig zu den Zeiten, in denen die Umgebung des Betroffenen bzw. sein Geschäfts- oder Praxisbetrieb die Durchsuchung mitbekommt.
Zu Beginn der Durchsuchung sollten die Dienstausweise der Steuerfahnder und insbesondere der Durchsuchungsbeschluss eingesehen werden. Zunächst zu prüfen ist das Datum des Beschlusses, denn nach Ablauf eines halben Jahres verliert der Durchsuchungsbeschluss seine Rechtfertigung (BVerfG NJW 1997, 2165). Diese Zeitgrenze muß im Übrigen auch für die Dauer der Steuerfahndung-Durchsuchung selbst gelten (vgl. Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 4. Aufl., Rn. 711 m.w.N.). Dies ist relevant bei Großverfahren, in denen die Anwesenheit der Fahnder monatelang andauern kann. Ein Durchsuchungsbeschluss verliert außerdem seine Wirksamkeit, wenn auf seiner Grundlage bereits eine Durchsuchung stattgefunden hat oder der Betroffene die Durchsuchung freiwillig gestattet hat. Dies hat auch Bedeutung für einen kriminalistischen Trick, der manchmal zu beobachten ist: Die Steuerfahnder ziehen nach relativ erfolgloser Durchsuchung ab, um nach kurzer Zeit wieder auf in der Hoffnung, daß der Betroffene unter dem Eindruck der soeben erfolgten Maßnahme die nicht aufgefundenen Unterlagen aussortiert oder abtransportiert. Da durch die vorangegangene Durchsuchung der Beschluß "verbraucht" ist, unterfallen Ergebnisse solcher Maßnahmen einem Verwertungsverbot (Quedenfeld/Füllsack, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 4. Aufl., Rn. 744).
Vom Durchsuchungsbeschluss sollte eine Kopie gefertigt werden und die Personalien der Beamten sind festzuhalten, am besten läßt man sich deren Visitenkarten aushändigen.
Spätestens im Moment des Erscheinens der Durchsuchungsbeamten muß die Strafverteidigung beginnen. Die Steuerfahndung ist kein Betriebsprüfer, die Methoden der Fahnder sind die der Polizei: Der Betroffene wird überrumpelt und es wird gleichzeitig versucht, das strafrechtliche Risiko herunterzuspielen, um den Verdächtigen zu einer Einlassung zu bewegen. Der Steuerpflichtige wie sein Berater müssen hier konsequent Schweigen, denn jede Äußerung kann Verteidigungsmöglichkeiten abschneiden.
Die Kooperation mit der Steuerfahndung sollte sich darauf beschränken, daß gesuchte Unterlagen vorgelegt, jedoch in keinem Fall freiwillig herausgegeben werden. Im Protokoll muß daß Feld für den Widerspruch gegen die Gewahrsamnahme angekreuzt werden. Es ist darauf zu achten, daß das Verzeichnis der beschlagnahmten Gegenstände möglichst konkret ist und in Erfahrung gebracht wird, wohin die Sachen verbracht werden. Werden lose Schriftstücke beschlagnahmt, ist jedes einzeln im Protokoll zu bezeichnen. Keinesfalls reicht etwa die Bezeichnung: "Ein Umschlag mit diversen Schriftstücken". Der Aufforderung der genauen Bezeichnung der Schriftstücke wird auf wenig Begeisterung bei den Beamten stoßen, da dies u.U. viel Zeit in Anspruch nimmt. Bei einer Weigerung der Beamten muß telefonisch die Entscheidung des zuständigen Ermittlungsrichters gemäß § 98 Abs. 2 StPO eingeholt werden.
Die Vorlage der gesuchten Unterlagen hat den Vorteil, daß sich der Durchsuchungszweck erledigt und eine weitere Durchsuchung damit unzulässig wird. So wird auch verhindert, daß sog. Zufallsfunde im Sinne des § 108 StPO gemacht werden.
Durchsicht der aufgefundenen Papiere
Gemäß § 404 S. 2 AO hat die Steuerfahndung/Zollfahndung die Befugnis, die aufgefundenen Papiere (hierzu gehören auch Fotos, Filme, Tonträger, Festplatten etc.) durchzusehen. Problematisch wird dies bei der Durchsuchung beim Steuerberater/Rechtsanwalt hinsichtlich dessen Handakten. Gemäß § 97 StPO unterliegen Aufzeichnungen des unverdächtigen Berufsgeheimnisträgers, auf die sich sein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 StPO erstreckt, nicht der Beschlagnahme und dürfen auch nicht durchsucht werden. Hierzu gehört insbesondere der Schriftverkehr des Beraters mit dem Verdächtigen. Im Einzelnen heftig umstritten ist das Beschlagnahmeprivileg hinsichtlich der Buchführungsunterlagen und Steuererklärungen des Mandanten.
Die Ermittlungsbehörden nehmen für sich in Anspruch, mittels Durchsicht der Unterlagen zu prüfen, ob § 97 StPO überhaupt einschlägig ist. Es muß daher versucht werden, die Versiegelung der sichergestellten Papiere zu erreichen, damit diese dem Ermittlungsrichter zur Durchsicht und Entscheidung vorgelegt werden. Die Unterlagen dürfen auf keinen Fall freiwillig herausgegeben werden. Für den Berater besteht ansonsten die Gefahr, gegen das Verschwiegenheitsgebot nach § 57 Abs. 1 StBerG zu verstoßen und sich gemäß § 203 StGB wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen strafbar zu machen. Der Beschlagnahme sollte stets widersprochen werden.
Beschlagnahme
Beschlagnahmt werden dürfen gemäß § 94 Abs. 1 StPO Gegenstände, die als Bweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können. Die sich im Gewahrsam des Steuerberaters befindlichen Unterlagen, die grundsätzlich dem Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO unterliegen, dürfen u.a. dann beschlagnahmt werden, wenn sich der Verdacht der Steuerhinterziehung auch auf den Steuerberater erstreckt (§ 97 Abs. 2 S. 3 StPO). Dies gilt auch, wenn der Steuerberater oder Verteidiger einer Begünstigung oder Strafvereitelung zugunsten des Mandanten verdächtigt wird. Entsprechend kommt es vor, daß durch die Strafverfolgungsbehörde und das Gericht der Verdacht auf den Steuerberater ausgeweitet wird. Entfällt später der Tatverdacht, dürfen die Informationen aus der Handakte etc. trotzdem weiterhin gegen den Mandanten verwendet werden. Der BGH hat ein dahingehendes Verwertungsverbot abgelehnt (BGH, Urt. v. 20.10.1982 - 2 StR 43/82 = NStZ 1983, 85).
Im Falle der Beschlagnahme ist zu klären, ob und inwieweit Kopien der beschlagnahmten Unterlagen und Daten gemacht werden können. Es sollte grundsätzlich Beschwerde gegen die Durchsuchung und Beschlagnahme erhoben werden und die Beschwerde schriftlich wiederholt werden. Dies gilt zumindest für den durchsuchten Steuerberater, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, die Interessen des Mandanten durch zu vorschnelle Mitwirkung verletzt zu haben (vgl. Durst, PStR 2012, 146, 149; Rund, AO-StB 2004, 451, 452). Schriftstücke und Gegenstände, die nach Auffassung des Betroffenen § 97 StPO unterfallen, sind versiegeln zu lassen. Unter Umständen kann es jedoch günstiger sein, kein Rechtsmittel gegen die Maßnahmen der Ermittlungsbehörden einzulegen (vgl. Quedenfeld/Füllsack-Quedenfeld, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 4. Aufl., Rn. 745 ff.).
Rechtsbehelfe
Solange die Durchsuchung andauert, kann die Aufhebung des Durchsuchungsbeschlusses mit der Beschwerde gemäß § 304 StPO verfolgt werden. Nach Beendigung der Durchsuchung ist die Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme bzw. des Durchsuchungsbeschlusses statthaft.
Durchsuchungsanordnungen der Polizei oder Staatsanwaltschaft wegen Gefahr im Verzug ist der Antrag gemäß § 98 Abs. 2 StPO analog auf gerichtliche Entscheidung möglich. Gegen die Entscheidung ist die Beschwerde gemäß § 304 StPO statthaft.
Gegen die Art und Weise der Durchsuchung ist nach Beendigung der Maßnahme ebenfalls gemäß § 98 Abs. 2 StPO analog Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig. Auch hier ist gegen die Entscheidung grundsätzlich die Beschwerde statthaft.
Durchsuchung und Vermögensarrrest
Durch die häufige Nutzung des neuen vorläufigen Vermögensarrestes nach § 111e Abs. 1 StPO durch die Finanzbehörden treten vermehrt Konflikte auf. Eine umfassende Gesetzesreform im strafrechtlichen Bereich führt, wie zu erwarten, zu besonderen Belastungen, die in manchen Fällen unverhältnismäßig harte Eingriffe zur Folge haben. Dabei zeigt sich oft eine parallele Anwendung von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen sowie des vorläufigen Vermögensarrestes. Aus der Sicht des Beschuldigten wird dieser in Steuerstrafverfahren unter dem neuen Gesetz zu Beginn des Verfahrens nicht nur mit Durchsuchungen, sondern auch mit der Beschlagnahme von Vermögenswerten konfrontiert. Diese Vorgehensweise verschärft die strukturelle Benachteiligung des Beschuldigten und seiner Verteidigung im Ermittlungsverfahren.
Die Befürchtungen bezüglich der Auswirkungen der Reform der Vermögensabschöpfung im Steuerstrafverfahren zielen häufig auf die gleichzeitige Festsetzung von Steuern im Strafurteil und im Steuerbescheid ab. Wie verhält es sich, wenn Bescheide erlassen und rechtskräftig werden und zeitgleich oder danach eine Wertersatzeinziehung im Strafurteil oder Strafbefehl erfolgt? Auf welche Festlegung sollte der Steuerpflichtige seine Zahlungen leisten?
Diese Fragen gewinnen an Brisanz, wenn durch ein beschleunigtes Strafverfahren ein rechtskräftiges Urteil erlassen wird, das gemäß § 459g StPO Grundlage für Vollstreckungsmaßnahmen sein kann. Wenn Vermögenswerte bereits vorläufig gesichert sind (§ 111e StPO), führt die Justiz in die arrestierten Werte die Vollstreckung durch.
Die zuständigen Finanzämter oder Gemeinden können sich die Vermögenswerte gemäß §§ 459h Abs. 2, 459k Abs. 2 S. 1 StPO von der Justizkasse auszahlen lassen. Die Neuregelung kann somit zu erheblichen strukturellen Verwerfungen in Steuerstrafverfahren führen. Schon unter altem Recht erforderte die Koordination von strafrechtlichen und steuerrechtlichen Verfahren ein erhebliches Fingerspitzengefühl.
Die Strafjustiz zeigt selten Interesse daran, fachfremde Fragen zu entscheiden. Mit der Neuregelung steigt das Risiko, dass Strafgerichte steuerrechtliche Fragen ohne steuerliche Rechtsbehelfe klären müssen, was scheinbar einfacher erscheint. Künftig müssen Berater vermehrt sicherstellen, dass steuerliche Fragen frühzeitig Beachtung finden und möglicherweise dafür gekämpft wird, dass diese Angelegenheiten bei der Finanzgerichtsbarkeit verbleiben.
Bei einer Einigung mit dem Finanzamt oder einer Entscheidung des Finanzgerichts erscheint die Situation weniger problematisch: Ein durch Zahlung erloschener Besteuerungsanspruch (§§ 47, 224 AO) darf nicht weiter eingezogen werden.
Zudem wäre es fehlerhaft, eine Einziehung von Wertersatz anzuordnen, wenn eine Schadenswiedergutmachung auf anderem Wege realisiert wird, beispielsweise durch eine Zahlungsvereinbarung oder bereits festgesetzte Steuern. In der Regel wird sich das Strafgericht auf finanzgerichtliche Feststellungen oder andere steuerliche Erkenntnisse stützen, sobald diese vorliegen.
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