„Bei den Beratungen der geplanten Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerhinterziehung waren sich alle Fraktionen in der Bewertung einig, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei und entsprechend bekämpft werden müsse.“
Bundestags-Drucksache 17/5067 (2011), S. 18
„Der Steuerbetrug darf nicht mehr als 'Kavaliersdelikt', der Schmuggel nicht mehr als eine 'Gewohnheit' der Grenzanwohner angesehen und behandelt werden.“
Der Reichsminister der Justiz Franz Gürtner, 1935 (RiStBV)
Steuerhinterziehung
Steuern hinterzieht, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, § 370 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden, § 370 Abs. 4 S. 1 HS. 1 AO.
Danach genießt das Vermögen des Fiskus den weitestgehenden strafrechtlichen Schutz. Bereits die nicht rechtzeitige Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung stellt eine strafbare Steuerhinterziehung dar (§§ 370 Abs. 4 S. 1 HS. 2, 168 AO). Selbst wer Steuern ohne Vorsatz (leichtfertig) hinterzieht, kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro belegt werden. Aufgrund des Kompensationsverbots nach § 370 Abs. 4 S. 3 AO sind Fälle der strafbaren (vollendeten) Steuerhinterziehung denkbar, obwohl die aufgrund der unrichtigen Angaben des Steuerpflichtigen festgesetzte Steuer die gesetzlich geschuldete Steuer übersteigt, also eine Schädigung des Steueraufkommens nicht vorliegt.
Klassische Hinterziehungsfälle stellen etwa dar:
- Verkürzung von Ertragsteuern durch Reduzierung der Einnahmen, Überhöhung von Betriebsausgaben, hierbei insbesondere auch: Schätzungsfälle,
- Ertragsteuerhinterziehung im Zusammenhang mit Korruptionsdelikten aufgrund des Abzugsverbots gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG
- Umsatzsteuerhinterziehung durch Verschweigen von steuerpflichtigen Umsätzen,
- Umsatzsteuerhinterziehung durch Unregelmäßigkeiten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und Ausfuhr,
- "Umsatzsteuerkarusselle",
- unzulässige Gewinnverlagerung durch überhöhte Verrechnungspreise,
- Verkürzung von Einfuhrabgaben durch Angabe des falschen Zollwerts (z.B. durch "Unterfakturierung", Aufteilung von Rechnungen, Verschweigen von Lizenzgebühren etc.),
- Verkürzung von Einfuhrabgaben durch falsche Einreihung in den EZT oder falsche Angaben zum präferenziellen oder nichtpräferenziellen Ursprung,
- Verkürzung von Einfuhrabgaben oder Verbrauchsteuern durch vorschriftswidriges Verbringen (z.B. "Schmuggel" [Art. 79 UZK, zuvor Art. 202 Abs. 1 lit. a Zollkodex] oder Tabaksteuerhinterziehung [§ 23 Abs. 1 Tabaksteuergesetz]) oder Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung,
- Verkürzung von Verbrauchsteuern durch falsche Angaben zum Steuergegenstand (z.B. Schmier- oder Verschalungsöl anstatt Heizöl oder Kraftstoff),
- Verkürzung von Verbrauchsteuern durch Unregelmäßigkeiten bei der Beförderung unter Steueraussetzung oder Entnahme aus dem Steuerlager,
- Verkürzung von Verbrauchsteuern durch unberechtigte Geltendmachung von Steuerbefreiung (z.B. gem. § 27 AlkStG [zuvor § 152 Abs. 1 Nr. 1 Branntweinmonopolgesetz], sofern keine Arzneimittel i.S.d. § 2 Abs. 1, 4 Arzneimittelgesetzes hergestellt werden),
- Verkürzung von Verbrauchsteuern durch Herstellung außerhalb eines Steuerlagers (z.B. "Schwarzbrennen").
Als Strafverteidiger bin ich auf das Steuerstrafrecht und damit insbesondere auf die Verteidigung gegen den Vorwurf der Steuerhinterziehung spezialisiert. Ziel meiner Tätigkeit ist es stets, das Verfahren zügig und für meine Mandanten so günstig wie möglich zu Ende zu bringen. Im Vorfeld eines Steuerstrafverfahrens umfaßt meine Beratung und Vertretung insbesondere die strafbefreiende Selbstanzeige.
Für den Vorsatz zur Steuerhinterziehung ist ausreichend, daß der Täter es für möglich hält, daß er die Finanzbehörde über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis läßt und daß durch sein Verhalten Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt werden.
Insbesondere an Kaufleute sind erhöhte Anforderungen zu stellen. Informiert sich ein Kaufmann nicht über die in seinem Gewerbe bestehenden steuerrechtlichen Pflichten, kann bereits dies auf seine Gleichgültigkeit hinsichtlich der Erfüllung dieser Pflichten hindeuten; dasselbe gilt, wenn es ein Steuerpflichtiger unterläßt, in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen (BGH, Urt. v. 08.09.2011 - 1 StR 38/11 = NStZ 2012, 160 ff.). Wenn ein nicht steuerlich sachkundiger Steuerpflichtiger eine von der üblichen Geschäftsabwicklung abweichende Vertragskonstruktion wählt, um eine von ihm für möglich gehaltene Steuerpflicht zu vermeiden, kann es für die Inkaufnahme einer Steuerverkürzung sprechen, wenn er allein von seinem laienhaften Rechtsverständnis ausgeht (BGH a.a.O.). Dies gilt bei grenzüberschreitenden Lieferungen, deren umsatzsteuerliche Behandlung regelmäßig Schwierigkeiten bereitet, wie auch bei rechtlich diffizilen oder ungewöhnlichen Inlandsgeschäften.
Anlaß für die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sind häufig:
- Kontrollmitteilungen zwischen den Finanzämtern,
- anonyme Anzeigen (insbesondere von ehemaligen Mitarbeitern und Partnern sowie mißgünstigen Konkurrenten),
- Presseberichterstattungen sowie
- Beanstandungen im Verlauf einer Außenprüfung (Betriebsprüfung, Umsatzsteuersonderprüfung, Zollprüfung).
Zulässig sind auch Ermittlungsmaßnahmen anläßlich von Erkenntnissen, die aus illegal erlangten Informationen wie etwa sog. Steuersünder-CDs stammen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.11.2010 - 2 BvR 2101/09).
Auch bei einer wirksamen Selbstanzeige wird zunächst ein Verfahren eingeleitet, welches später gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wird.
Eine Außenprüfung (Betriebsprüfung) ist zu unterbrechen, wenn sich während der Außenprüfung tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat ergeben; die Ermittlungen dürfen erst fortgesetzt werden, wenn dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Strafverfahrens bekannt gegeben worden ist (§ 10 Betriebsprüfungsordnung). Tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat liegen insbesondere vor,
- wenn nach durchgeführter Kalkulation oder Verprobung ungeklärte Differenzen von einigem Gewicht verbleiben, z. B. der Steuerpflichtige Vermögenszuwachs mit unplausiblen Geldzuflüssen erklärt, wie Verwandtendarlehen, Auslandsdarlehen oder Spielbankgewinnen,
- bei Feststellung schwerwiegender Buchführungsmängel, insbesondere auffälliges Fehlen von sonst allgemein üblichen Belegen,
- bei Hinweisen auf verschwiegene oder irreführend bezeichnete Bankkonten (Konten auf fingiertem oder fremden Namen),
- bei in der Bilanz wesentlich zu niedrig bewerteten Aktiv-Beständen sowie bei erheblich zu hoch bewerteten passiven Beständen des Betriebsvermögens,
- wenn sich aus Kontrollmitteilungen ergebende Einnahmen in der Buchführung nicht erfasst sind.
Nach der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens wird die Außenprüfung fortgesetzt oder es übernimmt die Steuerfahndung für eine Fahndungsprüfung. Der Steuerpflichtige kann nun nicht mehr zu einer Mitwirkung gezwungen werden (§ 393 AO).
Ob der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt ist, hängt maßgeblich von den steuerrechtlichen Vorschriften ab. Der Strafverteidiger muß hier also auch - neben der Beherrschung der strafrechtlichen und strafprozessualen Besonderheiten - über fundierte Kenntnisse im Steuerrecht verfügen.
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