Vermögensabschöpfung und prozessuale Sicherung

Rechtsanwalt für Steuerstrafrecht Torsten Hildebrandt

"...was wegen der 'selbstvollstreckenden' Konsequenzen beim Entzug wesentlicher finanzieller Ressourcen während lange andauernder Wirtschaftsverfahren auch prozessual zu fraglichen Maßnahmen bzw. Missbräuchen einladen mag. Es zeigt sich, dass die Strafverfolgungsbehörden dieser faktisch natürlich verfahrensabkürzenden, vom Gesetzgeber aber sicher nicht gewollten 'Verlockung' häufig unterliegen."

Heuchemer, NZWiSt 2018, 131

Vermögensabschöpfung und prozessuale Sicherung

Seit dem 01.07.2017 gilt das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung. Mit diesem Gesetz, durch welches grundlegende Änderungen im Strafgesetzbuch und der Strafprozessordnung vorgenommen werden, verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, das Recht der Vermögensabschöpfung zu vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten zu erleichtern und die nachträgliche Abschöpfung von Vermögensgegenständen zu ermöglichen (BT-Drucks. 18/9525 S. 48).

Der umfassende Reformansatz des Gesetzgebers soll durch das Ersetzen des Begriffes "Verfall" durch die "Einziehung" unterstrichen werden. Zudem soll hierdurch das deutsche Recht an die im Recht der Europäischen Union gebräuchliche Begrifflichkeit ("confiscation") - auch zur Reduzierung von Verständnisschwierigkeiten bei der grenzüberschreitenden Vermögensabschöpfung im internationalen Rechtshilfeverkehr - angelehnt werden. Ebenfalls neu ist der Begriff "Vermögensarrest", welcher den bisherigen "dinglichen Arrest" ersetzt.

Das bereits geltende, jedoch von den Senaten des Bundesgerichtshofs (BGH) nicht einheitlich angewandte Bruttoprinzip beim Verfall wird genauer gefasst. Die Auffassung des 1. Senats des BGH, der das Bruttoprinzip im Gegensatz zum 5. Senat ohne jede Einschränkung anwendet, hat sich durchgesetzt.

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Einziehung

Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden und hat der Täter oder Teilnehmer für die Tat oder aus ihr etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an (§ 73 Abs. 1 S. 1 StGB). Aus der Steuerhinterziehung erlangt sind die hinterzogenen Steuern (BGH wistra 2010, 406). Sofern das erlangte "Etwas" nicht mehr originär beim Tatbeteiligten vorhanden ist oder die Herausgabe aufgrund seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrags an, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c S. 1 StGB, Einziehung des Wertes von Taterträgen).

Bei der Vermögensabschöpfung haften mehrere Täter und/oder Teilnehmer der Steuerhinterziehung als Gesamtschuldner, also jeder für den gesamten Betrag (BGH NStZ 2011, 295 = wistra 2011, 101). Mittels der Vertreterklausel des § 73b Abs. I Nr. 1 StGB ist die Einziehung auch gegen Dritte möglich, für die der Täter gehandelt hat.

Schließlich kann die Einziehung auch gegen einen Dritten angeordnet werden, wenn ihm das Erlangte unentgeltlich oder ohne rechtlichen Grund übertragen wurde oder er bei der Übertragung erkannt hat oder hätte erkennen müssen, dass das Erlangte aus einer rechtswidrigen Tat herrührt (§ 73b Abs. I Nr. 2 StGB). Über § 73b Abs. I Nr. 3 StGB gilt dies weiterhin auch, wenn das Erlangte auf ihn als Erbe übergegangen ist oder als Pflichtteilsberechtigter oder Vermächtnisnehmer übertragen worden ist.

Gegenstände, die durch eine vorsätzliche Straftat hervorgebracht oder zu ihrer Begehung oder Vorbereitung gebraucht worden oder bestimmt gewesen sind, können eingezogen werden (§ 74 StGB). Hat der Tatbeteiligte die Einziehung vereitelt (insbesondere durch Veräußerung des Gegenstandes), kann die Einziehung eines entsprechenden Geldbetrages angeordnet werden (§ 74c StGB).

Daneben ist im Falle der Steuerhinterziehung, des Bannbruches und der Steuerhehlerei die Einziehung gemäß § 375 Abs. II der Abgabenordnung (AO) möglich. Die Einziehung kann sich auf die Erzeugnisse, Waren und andere Sachen, auf die sich die Hinterziehung von Verbrauchsteuer oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben im Sinne des Artikel 5 Nr. 20 und 21 des Zollkodexes der Union, der Bannbruch oder die Steuerhehlerei bezieht, und die Beförderungsmittel, die zur Tat benutzt worden sind, erstrecken.

Eine wesentliche Neuerung enthält der § 76a Abs. 4 StGB. Die Regelung ermöglicht es, Vermögensgegenstände unabhängig vom Nachweis einer rechtswidrigen Tat (selbständig) einzuziehen, wenn das Gericht von ihrer illegalen Herkunft überzeugt ist. Der Gesetzgeber gibt zudem den Strafrichtern mit dem neuen § 437 StPO an die Hand, wie sie sich von einer illegalen Herkunft zu überzeugen haben: "Bei der Entscheidung über die selbständige Einziehung nach § 76a Absatz 4 des Strafgesetzbuches kann das Gericht seine Überzeugung davon, dass der Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen stützen." Gemeint sind hier nicht nur die Einkünfte im Sinne des § 2 des Einkommensteuergesetzes, sondern auch andere Vermögenszuflüsse wie Schenkung, Erbschaft oder etwa ein Lotteriegewinn.

Entscheidend für die Anordnung der Maßnahme ist, ob sich das Gericht davon überzeugen kann, dass eine Tat des Kataloges des § 76a Abs. 4 S. 3 StGB begangen wurde. Aus dem Steuerstrafrecht und Zollstrafrecht im weiteren Sinne sind hier aufgeführt der qualifizierte Schmuggel des § 373 AO, vorsätzliche Straftaten nach §§ 17 und 18 des Außenwirtschaftsgesetzes sowie Delikte des Waffengesetzes, Kriegswaffenkontrollgesetzes und Betäubungsmittelgesetzes.

Prozessuale Sicherung der Einziehung

Gegenstände, die dem Verfall oder der Einziehung unterliegen werden nach den §§ 111b Abs. 1 i.V.m. 111c StPO beschlagnahmt. Die Sicherung der im Steuerstrafverfahrens überwiegenden Einziehung des Wertes von Taterträgen erfolgt mittels des Vermögensarrests gemäß § 111e StPO. Dieser umfasst insbesondere die Pfändung von Bankkonten, die Pfändung beweglicher Sachen (z.B. Schmuck, PKW) und die Zwangssicherungshypothek. Der Betroffene kann durch die Hinterlegung eines Geldbetrages die Vollziehung des Arrestes aufheben (§ 111g Abs. I S. 2 StPO). Der festgelegte Geldbetrag ist jedoch insbesondere im Steuerstrafrecht regelmäßig zu hoch, um vom Betroffenen aufgebracht werden zu können.

Die alte Fristregelung des § 111b Abs. 3 StPO, nach der der dingliche Arrest grundsätzlich spätestens nach 6 Monaten aufzuheben war, wenn dringende Gründe nicht vorlagen, und das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Dauer der Maßnahme nicht auf 12 Monate verlängern hat, ist durch die Gesetzesreform ersatzlos entfallen. Dennoch gilt auch hier der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, sodass erhebliche zeitliche Abweichungen von der alten Rechtslage rechtswidrig sein dürften.

Weitere Möglichkeit der "Untersuchungshaft für Geld" (Quedenfeld/Füllsack-Bach, Verteidigung in Steuerstrafsachen, 4. Aufl., Rn. 764) ist für die Finanzbehörden der steuerrechtliche dingliche Arrest gemäß § 324 AO. Er dient der Sicherung von Ansprüchen aus dem Steuerrechtsverhältnis. Zur Ermittlung der Höhe des Arrestanspruchs können die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO geschätzt werden (Nr. 71 Abs. 2 AStBV [St] 2017). Der strafrechtliche Vermögens- und der steuerrechtliche dingliche Arrest stehen gleichberechtigt nebeneinander (§ 111e Abs. 6 StPO).

Rechtsbehelfe gegen die Sicherung der Vermögensabschöpfung

Gegen die Anordnung des strafprozessualen Vermögensarrests ist die Beschwerde gemäß § 304 StPO statthaft. Gegen eine negative Beschwerdeentscheidung ist die weitere Beschwerde gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO statthaft, wenn der Vermögensarrest über einen Betrag von mehr als 20.000 EUR angeordnet wurde. Gegen Maßnahmen, die in Vollziehung der Beschlagnahme oder des Arrestes getroffen werden, kann der Betroffene jederzeit die Entscheidung des Gerichts beantragen (§ 111k Abs. 3 StPO).

Gegen die steuerrechtliche Arrestanordnung sind die steuerrechtlichen Rechtsbehelfe gegeben. Statthaft sind der Einspruch gemäß den §§ 347 ff. AO und die Sprungklage gemäß § 45 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Mangels aufschiebender Wirkung der Rechtsbehelfe ist die Beantragung der Aussetzung der Vollziehung der Arrestanordnung gemäß §§ 361 Abs. 2 AO bzw. 69 FGO erforderlich.

Hinweis

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