VERTEIDIGUNG GEGEN DEN VORWURF DER STEUERHINTERZIEHUNG UND VERTRETUNG IM STREITIGEN BESTEUERUNGSVERFAHREN
Verteidigung im Steuerstrafrecht
Eine kunstgerechte Verteidigung im Steuerstrafverfahren setzt eine Spezialisierung im Strafrecht ebenso wie im Steuerrecht voraus, da das Besteuerungsverfahren und das Strafverfahren gleichberechtigt nebeneinander und gemäß § 393 Abs. 1 S. 1 der Abgabenordnung nach den für das jeweilige Verfahren geltenden Vorschriften ablaufen. Das optimale Ergebnis erzielt nur, wer beide Abläufe im Blick behält und detaillierte Kenntnis der Abgabenordnung und Strafprozeßordnung sowie deren Zusammenspiel hat.
Im Folgenden finden Sie eine überblicksmäßige Darstellung der zentralen Bereiche der Verteidigung im Steuerstrafverfahren.
Themenschwerpunkte im Steuerstrafrecht

Aussenprüfung und Steuerstrafverfahren
Ein großer Teil der Steuerstrafverfahren hat seinen Ausgangspunkt in einer Betriebsprüfung. Ergeben sich während einer Außenprüfung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat des Steuerpflichtigen, so dürfen Ermittlungen des Sachverhalts bei ihm erst fortgesetzt werden, wenn ihm die Einleitung des Strafverfahrens mitgeteilt worden ist und der Beschuldigte über seine Rechte aufgeklärt wurde (§ 10 Betriebsprüfungsordnung).

Durchsuchung / Beschlagnahme im Steuerstrafverfahren
Durchsuchung und Beschlagnahme sind die wichtigsten und häufigsten strafprozessualen Maßnahmen im Steuerstrafverfahren und oft die Situation, in der die Betroffenen erstmals mit dem gegen sie geführten Verfahren konfrontiert werden. In der Durchsuchungssituation kann der Strafverteidiger zumeist nur auf die Einhaltung der Förmlichkeiten und Vollständigkeit der Protokollierungen hinwirken – der Tat der Durchsuchung gilt als „Tag der Steuerfahndung“.

Ermittlungsbehörden im Steuerstrafverfahren
Das Steuerstrafrecht unterscheidet sich in vielen Punkten vom „normalen“ Strafrecht, dazu gehören auch eigene Ermittlungsbehörden: die Steuerfahndung bzw. Zollfahndung agieren statt der Polizei, die Aufgaben der Staatsanwaltschaft werden in weiten Teilen von den Bußgeld- und Strafsachenstellen (BuStra) bzw. Straf- und Bußgeldsachenstellen (StraBu) wahrgenommen. Häufig sind diese in besonderen Finanzämtern angesiedelt (FA FuSt, PrüStra etc.).

Steuerordnungswidrigkeiten
Die fahrlässige Hinterziehung von Steuern ist nicht strafbar – aber sie kann als leichtfertige Steuerverkürzung mit einem Bußgeld belegt werden. Zu den Steuerordnungswidrigkeiten im Sinne des § 377 der Abgabenordnung gehören ferner das Ausstellen falscher Belege u.v.m. Die Höhe der aufgrund von Steuerordnungswidrigkeiten verhängten Bußgelder reichen von eher übersichtlichen Beträgen bis in existenzvernichtende Bereiche.

Schätzung im Besteuerungs- und Steuerstrafverfahren
Die steuerliche Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung ist ein zentrales Instrument der Finanzbehörden und insbesondere der Betriebsprüfungsstellen. Insbesondere bei der Prüfung bargeldintensiver Betriebe folgt sehr häufig auf die Verwerfung der (Kassen-)Buchführung die Erhöhung der Umsätze im Schätzwege. Auch im Steuerstrafverfahren ist es dem Gericht möglich, die für die Strafzumessung relevanten Besteuerungsgrundlagen zu schätzen.

Selbstanzeige im Steuerstrafrecht
Auch nach der großen Welle von strafbefreienden Selbstanzeigen im Vorfeld der Verschärfung des Selbstanzeigerechts und Ausweitung des Informationsaustauschs insbesondere mit der Schweiz bleibt die Selbstanzeige ein wertvolles Instrument zur Bereinigung missverständlicher steuerlich relevanter Sachverhalte. Ihre Voraussetzungen sollten stets auch bei Berichtigungsanzeigen nach § 153 der Abgabenordnung im Blick behalten werden.

Steuerhinterziehung
Das Verständnis der zentralen Norm des Steuerstrafrechts, des „Steuerhinterziehungsparagrafen“ 370 der Abgabenordnung, setzt das Wissen voraus, wann „über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben“ gemacht und „dadurch Steuern verkürzt“ wurden. Was steuerlich erheblich ist und was eine Steuerverkürzung darstellt, lässt sich nur anhand des formellen und materiellen Steuerrechts beantworten.

Steuerschuld und Haftung bei Steuerhinterziehung
Hinterzogene Steuern sind nachzuentrichten (und teuer zu verzinsen). Wer zugunsten Dritter Steuern hinterzieht oder an einer solchen Tat teilnimmt, kann nach § 71 der Abgabenordnung in die Haftung für die hinterzogenen Steuern genommen werden. Hier zahlt sich eine gute Verteidigung im Steuerstrafverfahren doppelt aus: Eine Reduzierung des Hinterziehungsvorwurfs führt regelmäßig zu einer Reduzierung der Steuernachforderung bzw. Haftungsforderung.

Strafmaß bei Steuerhinterziehung
Viele Steuerstrafverfahren lassen sich durch eine Einstellung – mit oder ohne Zahlungsauflage beenden. Bei höheren Hinterziehungsvolumina werden – teils presseträchtig – jedoch auch hohe Geldstrafen, Bewährungsstrafen und unbedingte Freiheitsstrafen verhängt. Maßgeblichen Einfluss auf die Strafzumessungspraxis beansprucht seit einigen Jahren der derzeit ausschließlich für das Steuerstrafrecht zuständige 1. Senat des Bundesgerichtshofs.

Telekommunikationsüberwachung im Steuerstrafverfahren
Beschuldigte im Steuerstrafverfahren befürchten häufig, dass heimliche Ermittlungsmaßnahmen gegen sie durchgeführt werden. Insbesondere gehen Sie davon aus, dass ihre Telefone abgehört werden. Die Zulässigkeit von Telekommunikationsüberwachungen ist allerdings an verhältnismäßig hohe Voraussetzungen geknüpft. Eine „normale“ Steuerhinterziehung ohne Qualifikation reicht hierfür – derzeit noch – nicht aus.

Verjährung im Steuerstrafrecht und Steuerrecht
Das Steuerstrafrecht zeichnet sich durch viele Besonderheiten aus. Eine davon ist die Verjährung insbesondere der schweren Steuerhinterziehung. Im „normalen“ Strafrecht spielen sogenannte Regelbeispiele für die Verjährungsfrist keine Rolle, im Steuerstrafrecht durchaus (§ 376 der Abgabenordnung). Auch die sogenannte absolute Verjährungsfrist ist eigens geregelt, sie beträgt bei schwerer Steuerhinterziehung 37,5 Jahre (Totschlag: 40 Jahre).

Vermögensabschöpfung im Steuerstrafrecht
Seit der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung im Jahr 2017 erscheinen Steuerfahnder mit zwei richterlichen Beschlüssen zur Durchsuchung: Zum Durchsuchungsbeschluss hinzugesellt hat sich der Beschluss über den Vermögensarrest. Statt nur nach Beweismitteln suchen die Beamten nunauch nach Geld und Wertsachen, parallel erhalten die Banken des Beschuldigten Pfändungsbeschlüsse per Telefax.

Kindergeldhinterziehung
Der Vorwurf der Steuerhinterziehung wegen unberechtigtem Bezug von Kindergeld knüpft häufig daran an, dass Eltern die Familienkasse über Veränderungen wie einen Umzug in das Ausland in Unkenntnis gelassen haben. Strafverfahren werden selbst dann durchgeführt, wenn die Eltern den Wegzug dem Einwohnermeldeamt mitgeteilt haben und davon ausgegangen sind, dieses würde die Familienkasse automatisiert informieren.